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Rektorat

Eine gute Schule steht und fällt mit ihrer Leitung. Die 200-jährige Geschichte der Kantonsschule Trogen dokumentiert dies beeindruckend und zeigt dabei auch, wie persönliche Visionen durch den Einsatz aller Beteiligten die Kanti stets vorwärts brachten.

Dabei darf eines nicht vergessen werden: dass hinter dem Rektor stets auch ein Prorektor mitwirkte, eine Schulleitung, ein Lehrerkollegium und die Ehepartner aller Angestellten. Übrigens: Jahrzehnte lang sprach man im Zusammenhang mit dem Leiter des Gymnasiums Trogen noch vom „Vorsteher“, später vom „Direktor“. Erst 1906 tauchte der offizielle Titel „Rektor“ für den Schulleiter im Reglement der Kantonsschulkommission auf.

Von den Aufgaben eines Rektors

Ein nicht unwichtiges Rädchen im Uhrwerk einer Anstalt bildet das Amt des Rektors. Ein besonderes Reglement umschrieb sein Pflichtenheft: Neben dem Unterricht bestand die hauptsächliche Aufgabe des Schuldirektors in der Aufrechterhaltung des Schulbetriebes. Dazu gehörten unter anderem:

  • die Erstellung des Stundenplanes
  • die Organisation von Stellvertretungen bei Lehrerausfällen durch Krankheit
  • das Verfassen der Jahresberichte
  • die Planung und Leitung der Konferenzen
  • die Klärung von Einschulungsfragen und sämtliche Elternkontakte (dazu gehörten auch Führungen durch die Schule für interessierte Eltern an Wochenenden)
  • der schriftliche und persönliche Kontakt mit den Behörden und Gremien, welche mit der Schule verbunden waren: die Kantonsschulkommission, die Landesschulkommission, die Maturitätskommission, die Staatswirtschaftliche Kommission und die Erziehungsdirektion
  • regelmässig musste der Schulleiter auch fehlbare Schüler bestrafen, was nicht selten mit sofortigen Schulausschlüssen endete

Um die Ordnung an der Kantonsschule aufrechtzuerhalten, unternahm Rektor Wildi sogar regelmässig Spaziergänge, in denen er eine Art Dorfkontrolle durchführte. Bezüglich Wildis allumfassendem Einfluss notierte der ehemalige KVT-Präsident Otto Ritzmann: «Wissen Sie, dass ein Lehrer seine Schüler gut erzieht, ist seine Pflicht. Wildi erzog auch seine Kollegen.»[1]

Campus der Kantonsschule Trogen um 1890 (Öldruck von Jakob Adolf Honegger)

Ahnengalerie der 18 Rektoren

Das «Alte Konvikt» bildet die „Urzelle“ aller 13 Gebäude auf dem Kanti-Campus. Im Laufe der über 200-jährigen Schulgeschichte beherbergte es Stall, Knabenkonvikt, Unterrichtsräume, Wohnungen, Sekretariat & Verwaltung. Allerdings war es vor allem und immer das Zentrum der KST, indem das Rektorat darin untergebracht war. Dieser Tradition ist man bis heute treu geblieben. Wer aber waren die Schulleiter?

-> Fahre mit der Maus über die Fenster des «Alten Konvikts» und entdecke alle Rektoren seit 1821

-> Drücke Play unterhalb des Bildes und höre dazu das nostalgische Kanti-Lied «Wiege der Glückseligkeit»
(mit Jens Weber am Mikrophon)

Historische Werbeprospekte der Kanti Trogen!

Werbebroschüren im heutigen Sinne gab es für die Kanti Trogen bis zum Ende des 20. Jahrhundert praktisch nicht; Anfragen von Seiten der Rektoren wurden von den zuständigen Schulbehörden nicht bewilligt. Die Jahresberichte sollten diesbezüglich für Interessierte genügen. Allerdings gab es zwei Schulleiter, welche sich dennoch durchsetzten und Kanti-Werbebroschüren publizierten. Der erste war der 3. Rektor Gutbier, der den Druck eines Teils seiner Arbeit als Programm wünschte. Wirklich erschien denn auch 1833 ein Prospektus in deutscher und französischer Sprache: «Die Appenzell Ausser-Rhodische Kantonsschule bei Trogen in ihrem gegenwärtigen Streben – Eine Mittheilung für Alle, welche diese Anstalt interessirt».

Im Jahr 1900 liess der achte Rektor Theodor Wiget einen hochwertigen Werbeprospekt drucken: «Kantonsschule und Pensionat Trogen». Auf 18 querformatigen Seiten konnten Interessierte Eltern Fotos begutachten, was die Kanti Trogen alles zu bieten hatte. Diese „Hochglanz-Idylle“ sollte vor allem wohlhabendere, ausserkantonale und ausländische Zöglinge nach Trogen locken. Rektor Wildi war allerdings nicht derselben Meinung wie sein Vorgänger und konnte es sich nicht verkneifen, in der Jubiläumsschrift von 1921 Wiget bezüglich seines Werbeprospektes einen verbalen Seitenhieb zu verpassen: «Die Zeiten sind vorüber, da man in alle Welt fremdsprachige Prospekte verschickte und in ausserkantonalen Zeitungen inserierte, dürfen ja doch heute unsere Veröffentlichungen nicht einmal mehr in den appenzellischen Blättern, sondern nur im Amtsblatt stattfinden. Nie mehr wird hoffentlich die Zeit wiederkehren, wo ein Direktor durch seinen Prospektus der Schule den Stempel aufdrückte, sie eigne sich besonders für die glückliche Entwicklung schwächerer Naturen, und wo der Eintritt in jedem beliebigen Moment des Jahres bereitwilligst gestattet wurde.»[2]

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Eine spannende Episode am Rande: Jahrzehnte vor der Zeit der Imagefilme für Unternehmen auf Youtube war Rektor Wildi seiner Zeit weit voraus. Um für den Ergänzungsbau (Rotes Schulhaus) vor der anstehenden Landsgemeinde zu werben, griff Wildi 1929 zu einer für die damalige Zeit äusserst fortschrittlichen Methode: Der Gymnasiast Werner Landolt drehte 16-mm-Filmaufnahmen, welche Unterricht und Schüleraktivitäten der KST zeigten; diese wurden danach in verschiedenen Ortschaften des Kantons vorgeführt.

Über die Belastungen eines Rektors vor 100 Jahren

Ganze 33 Jahre stellte Rektor Ernst Wildi seine Kräfte der Kantonsschule Trogen zur Verfügung. Dabei litt er zunehmend unter den Druck seines Amtes als Schulleiter. Bereits 1921 notierte er dazu in der Jubiläumsschrift unter anderem:

«Nimmt der Rektor seine Pflichten so ernst, wie es die Wichtigkeit seines Postens verlangt, will er wirklich, dass die einheitliche Leitung sich bis zum letzten Schüler hinab spürbar macht, dann bedeutet Führung der Schule eine Last, die auch in normalen Zeiten einen ganzen Mann erfordert, die aber in ausserordentlichen Zeiten oft beinahe erdrückend wirkt. Das ganze Jahr hindurch, selbst die Sommerferien erlauben keine völlige Ruhe, häufen sich Geschäfte auf Geschäfte. Während man Altes noch nicht verdaut hat, warten schon wieder neue Sorgen. Da gibt es nicht lauter angenehme Stunden, wenn man in Lohnfragen zwischen den Behörden und der Lehrerschaft steht, zwischen Lehrern und Schülern vermitteln, Ungehöriges hier, Unangenehmes dort abstellen muss, wenn es bei diesem oder jenem Lehrer in der Disziplin hapert, wenn einzelne Eltern glauben, diese und jene Vorrechte seien für ihre Söhne erlaubt, während wieder andere Bürger die moderne Jugend nicht verstehen wollen und mit Klagen aufrücken. Wie schwer wird es oft, wenn an der Schule Ordnung und doch kein auf Reglemente und Formulare gestützter Formalismus herrschen soll, den richtigen Mittelweg zwischen Pedanterie und Freiheit, zwischen rücksichtslosen Befehlen und freundlichem Gewähren so zu finden, dass der Entscheid vor dem eigenen Gewissen bestehen kann. Wie drückt oft die Verantwortung, wenn man bei neu auftauchenden Fragen den Kurs bestimmen, Spreu vom Korn unterscheiden muss, wenn organisatorische, finanzielle und bauliche Angelegenheiten sich drängen und die nötigen Mittel aufgebracht werden sollten, wenn schwere Krankheiten sich einstellen, wenn geistige Strömungen in der Jungmannschaft Gedanken und Sorgen verursachen, die man auch nachts nicht auf die Seite legen kann. Welche Zeitopfer hat man neben der weitläufigen Korrespondenz willig und gern zu bringen, wenn Schüler vertrauensvoll mit ihren kleinen und grossen Anliegen zu einem kommen, wenn die Eltern für die Berufswahl und Lebensstellung ihrer Kinder Auskunft wünschen oder sich um deren Charakterentwicklung kümmern, wenn immer wieder alte Schüler auftauchen, um von ihrem Werden und Wirken und von alten, schönen Zeiten zu erzählen.»[3]

Baden am Wochenende: Rektor Ernst Wildi betreut seine Pensionäre auch ausserhalb der Unterrichtszeit, 1920

In den folgenden Jahren kämpfte er weiter für die Kanti, fühlte sich aber letztendlich zutiefst verletzt nach all seinen Mühen für den Kanton und die Schule und reichte deshalb im Frühjahr 1937 seinen definitiven Rücktritt ein. Im Herbst desselben Jahres verabschiedete er sich bei seinen Arbeitskollegen mit den Worten: «Und nun, liebe Kollegen, ist mein Lied aus und damit auch mein Kampf gegen viel Kleinliches, gegen Nadelstiche, gegen bremsende finanzielle Sorgen, gegen Unzulänglichkeiten in der brodelnden Jugend und in mir selbst. […] Aber mein Lebenswerk ist wohlgelungen, denn ich habe die letzte Furche im Acker so grad gezogen wie die erste. Ich danke Gott, der mir die Kraft und die Gesundheit für meine Arbeit gab und mir erlaubte so viele Jahre mit der Jugend zu leben.»[4] Am 19. September überraschten die Kantonsschüler ihren Rektor mit einem Fackelzug zu Wildis Heim; zwei Wochen später richtete er seine letzte Rede an die Schüler der Kantonsschule, wobei er dabei auch seiner Verbitterung noch einmal Platz gab: «Da steht nun ein Rektor in einem kleinen Dorf mit seinen 300 bis 400 lebendigen Buben und Mädchen so recht zwischen Hammer und Amboss drin. Drum wird man ob all der Arbeit und Verantwortung mit den Jahren müde. Die Kräfte erlahmen, und wenn dann noch von aussen Anrempeleien erfolgen, die man als nicht berechtigt ansieht, dann mag man eines Tages einfach nicht mehr, besonders wenn man nie nur um des Lohnes, sondern um einer inneren Verpflichtung willen in alle Nacht hinein arbeitete. Auch ist es das Los alles Organischen: Was froh lichtwärts wuchs, das muss sich einst bescheiden wieder der Erde zuneigen.»[5]

Nach dem Amtsrücktritt gedachte Ernst Wildi seine schriftstellerischen Pläne zu verwirklichen. Dazu kam es jedoch nicht mehr. Es folgte ein Magenleiden und eine Herzlähmung, welche eine Operation unabdingbar machten. Aus der Narkose erwachte er nicht mehr und verstarb 1939, zwei Jahre nach der Pensionierung.

[1]  Otto Ritzmann: Brief vom 23. Januar 1948 an die Herren der Rektor Wildi-Stiftung. Schularchiv Kantonsschule Trogen, KST.001-3-05.

[2]  Ernst Wildi: Die Appenzell a. Rh. Kantonsschule in Trogen zum hundertjährigen Bestand. Eigenverlag, Trogen 1921, S. 171

[3] Ernst Wildi: Die Appenzell a. Rh. Kantonsschule in Trogen zum hundertjährigen Bestand. Eigenverlag, Trogen 1921, S. 160/161

[4] KVT-Mitteilungen Nr. 18, Eigenverlag, Trogen 1939, S. 26.

[5] KVT-Mitteilungen, Abschiedsrede an seine Schüler vom 2. Oktober 1937, Nr. 18, Eigenverlag, Trogen 1939, S. 30–33.

Fotos von Oskar Wohnlich und Ernst Kuhn: Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, Signatur KB-031385/112 und KB-030457/145

Titelblatt Gutbier-Prospektus: Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, Signatur App 116 (K1)

Alle andern Bilder: Archiv der Kantonsschule Trogen

Lied «Wiege der Glückseligkeit»: Text und Musik von Jürg Surber, Gesang von Jens Weber

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